Sonntag, 27. Dezember 2020

Die Entkleidung – oder: Verlust und Gewinn

Typisches engmaschiges Fachwerk des ausgehenden
18. Jahrhunderts in der Grafschaft Hoya

Ein Blick zurück

Der Verlust: Mit dem Freilegen des alten Pastorenhauses von 1535 verlieren wir in Martfeld eines der wenigen ortsbildprägenden historischen Gebäude. Das kleine Fachwerkbauernhaus repräsentiert in seiner Ansicht den typischen Baustil, der über Jahrhunderte das Erscheinungsbild der Dörfer in der Region der ehemaligen Grafschaft Hoya prägte. Kräftige Holzquerschnitte formen den Hofgiebel von 1791, errichtet vom Tuschendorfer Zimmermeister Dietrich Heinrich Fiddelke. Die Gestaltung dieses Hofgiebels, der "Hof-Visitenkarte", markiert den Beginn einer neuen Gestaltung und Modernisierung von Bauernhäusern im bald ausgehenden 18. Jahrhundert. 
Der Schmuck am Giebel mit der Inschrift ist sparsam gehalten – der Bauherr mit seiner Frau, Jahreszahl und Signatur des Zimmermeisters – und nicht farbig gestaltet, nur leicht betont durch einen dezenten lasierenden hellen Anstrich – vielleicht ja auch nur gekalkt. Alle Öffnungen im Giebel sind rein funktionell, nichts ist ohne Funktion. Die Summe aller optischen Elemente summiert sich zur Ästhetik ländlicher Baukultur in der Grafschaft Hoya. 

Der Gewinn: Mit dem Entfernen der äußeren Hülle des Hauses im Eichenweg gewinnen wir ein Objekt, dass auch überregional ziemlich einmalig ist und bis jetzt nur hier bekannt ist. Diese noch spätmittelalterliche Hauskonstruktion aus den ersten Jahren der Reformation, Bauherr war der erste lutherische Pastor in Martfeld, wird ein Gewinn sein für die schwindende dörfliche historische Baukultur im Dorf. 
Mit der Präsentation des Lebens der Pastorenfamilie und der Geschichte der Reformation auf dem Lande wird der Ort überregional in Fachkreisen für Aufmerksamkeit sorgen. Auch in Kreisen der Hausforscher sorgt die außergewöhnliche Fachwerkkonstruktion, errichtet inmitten der bäuerlichen Zweiständerhäuser mit ihren tief heruntergezogenen Strohdächern, jetzt schon für Aufmerksamkeit.

Hier nun der Rückblick über Abbau und Entkleidung dieses so bedeutenden Bauwerks:

In der Kreiszeitung wird der Beginn
der Abbauarbeiten bekanntgegeben

Wirtschaftsgiebel des in seiner Gestaltung 
typischen Martfelder Bauernhauses …

… und die Ansicht von der Rückseite

Beginn des Abbaus der Bauernhaushülle

Fundstücke: Backsteine mit Pfotenspuren

Das Dach wird abgedeckt, leider landen
die Pfannen von 1957 im Container

Nur die Dachfläche des inneren Hauses
mit den originalen Dchsparren von 1535
bleibt vorerst eingedeckt.

Die Ausfachung des Kammerfachgiebels wird entfernt

Immer wenn sich etwas tut, ist auch
das Filmteam von „Cut in” auf der Baustelle.

Die Dachsparren von 1764 werden abgenommen

Da wird dann auch dieser frühere Bewohner entdeckt.

Kammerfach ohne Ausfachung

Der seit fast 400 Jahren verborgene Giebel von 1535
steht wieder im Tageslicht.

Das Fachwerk der Bauernhaushülle
wird auseinandergenommen …

… und für den Wiederaufbau gesichert

historischer Lehmputz

… was nicht wiederverwertet werden kann

Der freigelegte Giebel von 1535 im Abendlicht

Verschiedene Fersehsender berichten über unser Projekt

Das Fachwerk wird „entfacht” – die Backsteine
zur Wiederverwertung auf Paletten gestapelt

Der Hofgiebel wird abgetragen …

… weggetragen

Balken für Balken wird demontiert

Die Anbindung des Hausgiebels an das Altgerüst

Blick durch das Groot-Dör-Gebinde auf den Hof

Die Sensation: Der verlorengeglaubte originale Spruchbalken
war im Bauernhaus von 1791 wiederverwendet und
wurde bei der Demontage entdeckt. Die Zapfenlöcher
in diesem Balken erlauben nun die Rekonstruktion
des nicht mehr vorhandenen Giebels des Pastorenhauses.

Heinz Laue, der bisherige Eigentümer, staunt über den
wiederentdeckten Giebelbalken mit der Inschrift "Anno dni 1535".

Beim Einbau einer Küche in den 1930er Jahren wurden
die Ständer abgesägt und hängen nun in der Luft.

Der Bagger entfernt mit viel Gefühl die
 ca. 1930 errichteten Zimmerwände, die Deckenbalken
sind mit Stützen abgefangen.

Wiederverwendbares wird geborgen

Wichtigstes Bauteil: Die Holznägel haben über Jahrhunderte
alles zusammengehalten. Als Andenken können diese hier
erworben werden
 – mit Echtheitszertifikat.

Pastors Hus steht jetzt auf Stützen

Mit Stroh und Lehm verkleidete Deckenbohlen
zum Schutz vor Funkenflug aus einem nach oben
offenen Ofenrohr das den Rauch unter die Decke entließ.

Die Außenhülle des Bauernhauses von 1791
wird eingelagert und kann für den Wiederaufbau
beim Bau-Ing. Tassilo Turner erworben werden.

Das „entkleidete” Haus das der erste Martfelder Pastor
1535 bauen ließ – oder was davon
noch übrig ist –
wartet auf die Restaurierung.


Auch die zum Hof gehörende alte Scheune
muss abgebaut werden.

Auch dieses Fachwerk mit den stabil proportionierten
Hölzern kann noch zum Wiederaufbau erworben werden.

Der Rest der Scheune

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