Pastors Hus mit ausgelehmten Wänden und rekonstruiertem Herdrähm Mitte August 2021 |
Lange haben wir (die Hausforscher) gerätselt, wie wohl die Herdstelle ausgesehen hat. Und an welcher Stelle im Haus war sie?
Ein Loch – das heißt zwei Löcher – brachten uns auf die Spur. An einem originalen Ständer an seinem ursprünglichen Platz in der Rückwand gab es zwei Zapfenlöcher ohne Funktion die in den Raum zeigten. Sie korrespondierten mit keinem anderen Holz der Konstruktion – was war ihre Aufgabe?
Das größere längliche Zapfenloch konnte nach seinem Aussehen und Maßen nur einen Kopfbandzapfen beherbergt haben. Kopfbänder sind die, mit einer leichten (Schmuck)Rundung versehenen, schräg eingebauten Bauteile, die sich auch in den Außenwänden und an den Enden der Deckenbalken befinden. Ihre Aufgabe ist es ein Verschieben des Hausgerüstes zu verhindern und dieses auszusteifen.
In dem kurzen Zapfenloch mit den Maßen ca. 20 x 18 cm – oberhalb des langen Loches – muss also ein ca. 2 m langer Balken gesteckt haben, der sich auf dem darunter liegenden Kopfband abstützt.
Das ist aber nur die eine Hälfte des Gebindes. Die andere Hälfte die zu einem Herdrähm gehört ließ sich aber leider nicht nachweisen. Der Ständer mit den entsprechenden Spuren war nicht mehr vorhanden, aber das obere Zapfenloch in dem er gesessen hat war vorhanden, sodass sich nun die Rekonstruktion des kompletten Herdrähms ermöglichen ließ.
Der Frage des Herdrähms das in zwei eng stehenden Ständern angebracht war, hat sich bereits Heinz Riepshoff in seinem Bauernhausbuch gewidmet: "Bei mindestens drei Häusern sind jeweils zwei eng in der Mitte stehende Ständer dokumentiert, die zur Aufnahme von zwei Längshölzern eines Herdrähms über der Herdstelle dienten. (Eitzendorf Nr. 60 von 1543 d, Nordholz Nr. 8 von 1590 d und Seestedt Nr. 4 von 1614 d). Diese frühen Spuren von Herdrähmen sind in soweit bemerkenswert, da die Herkunft des Herdrähms und der Zeitpunkt seiner Entstehung in unseren Häusern bis heute nicht eindeutig geklärt werden konnte. (Es gibt übrigens zwei weitere Häuser mit diesem Befund: Hollen 46 von 1545 d und Schwarme 30 aus der ersten Hälfte des 16. Jh.) Somit ist die Konstruktion des Herdrähms in Pastors Hus das älteste bekannte Vorkommen dieser Art in der Region.
Hollen Nr. 46 von 1545 d (Zeichnung Heinz Riepshoff) |
Eitzendorf Nr. 60 von 1543 d, (Zeichnung Heinz Riepshoff) |
Nordholz Nr. 8 von 1590 d (Zeichnung Heinz Riepshoff) |
Seestedt Nr. 4 von 1614 d (Zeichnung Heinz Riepshoff) |
Schwarme Nr. 30, 1. Hälfte 16. Jh. (Zeichnung Hans Turner) |
Beim Abbau der Bauernhaushülle tauchten in den Kammerfachwänden zwei völlig versottete Riegel auf, die jeweils ein langes Zapfenloch hatten und an den Unterkanten mit einem einfachen Profil versehen waren. Eine genaue Untersuchung der beiden Hölzer kam zu dem Ergebnis, dass sie die originalen waagerechten Teile des Herdrähms waren. Die dendrochronologische Untersuchung ergab das Fälljahr des Holzes im Jahr 1535, also bauzeitlich. Beide Hölzer wurden restauriert und im neuen Herdrähm wieder eingebaut.
Einer der beiden Balken des ursprünglichen Herdrähms mit Sottanhaftungen aus Jahrhunderten offenen Herdfeuers |
Die Frage des Herdrähms und die wichtige Frage "wo ist der Herdplatz im Haus zu verorten", ist hiermit geklärt.
Daraus ergibt sich natürlich eine neue Fragestellung: Hatte der Herdrähm einen Feuerschirm aus Brettern und wie war der große Topf aufgehängt? Beide Fragen sind eng miteinander verknüpft. Die einfachste Möglichkeit einen Topf aufzuhängen und aus dem Feuer zu bewegen, ist ein bewegliches Rundholz auf den waagerechten Hölzern an dem der Topf hängt und somit vor und zurück bewegt werden kann. Das schließt aber einen Bretter- oder Bohlenbelag als Feuerschirm aus, zumal der Deckenbelag von Pastors Hus mit Nut und Feder funkensicher ist.
Es wird also kein Herdrähm mit Pferdeköpfen und Fächerrosette oder Morgensternen gegeben haben, wie sie aus den Freilichtmuseen bekannt sind, s. folgende Beispiele:
Herdrähm mit Pferdeköpfen und Fächerrosette von 1717 in Eitzendorf 24 (Foto Böse) |
Herdrähm mit Pferdeköpfen im Bauernhausmuseum Bielefeld |
Das längste bekannte Herdrähm im Brümmerhof, Landwirtschaftsmuseum Hösseringen |
Herdrähm aus Lilienthal, installiert im ältesten Bauernhaus des Landkreises Rotenburg in Ostereistedt |
Herdrähm in einem Privathaus in Höperhöfen LK Rotenburg |
Herdrähm mit Morgensternen im Museum Kiekeberg |
2006 in einem Haus um 1800, in Müslingen 47, LK Nienburg entdeckt: in der Herdwand findet sich noch die rechte Wange eines Herdrähms … |
Wendebaum im Bauernhausmuseum Bielefeld |
Über einen Befund in Delmenhorst aus dem Baujahr 1746 d schreibt Heinz Riepshoff in seinem Buch Das Bauernhaus … :
An den Längshölzern fehlte jedwede Vorrichtung, sei es ein Schlitz oder eine Nute, um ein bewegliches Querholz mit anhängendem Kesselhaken innerhalb des Herdrahmens verschieben zu können. Es wird also ein rundes Querholz auf den Längshölzern gelegen haben, womit der Kesselhaken samt Kessel rollend bewegt werden konnte. Das aber schließt Abdeckbohlen auf dem Rahmen liegend aus. Damit muss auch hinter die Annahme, der Sinn eines Herdrähms läge grundsätzlich in der Abwehr von Funken des Herdfeuers, ein Fragezeichen gemacht werden. Die wichtigste Funktion eines Herdrähms liegt in der verschiebbaren Halterung des Kessels.
Der Herdrähm in Pastors Hus, rekonstruiert nach der Erkenntnis der vorgefundenen Spuren. Der Kessel hing an einem Rundholz auf den horizontalen Balken. Deutlich erkennbar sind die ergänzten Originalteile des alten Herdrähms.
An diesem Kesselhaken, auch Sägehal genannt, … |
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